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ELEFANT, TIGER & CO.: Es war die beliebte
Doku-Serie des MDR, die mich zum Besuch des Leipziger
Zoos bewegt hatte. Ich wollte einfach nachschauen, was
es in natura damit auf sich hat. Abgesehen davon
interessierte mich ein Vergleich mit dem Zoo Frankfurt,
der quasi bei mir um die Ecke liegt. Also entschloß ich
mich, zur Abwechslung einmal ein Wochenende in einem
rund 400 km entfernten Zoo zu verbringen.
Nach dem ruhigen Freitagnachmittag, der
ausreichend Gelegenheit bot zum Erkunden der vielfältig
strukturierten Anlage, ergab sich der erste günstige
Umstand gleich am Samstagmorgen. Kaum hatte ich meine
Eintrittskarte erstanden (schön die wechselnden Motive),
befand ich mich direkt in einer Führung von Herrn Dr.
Junhold. Wer sonst könnte das Konzept des "Zoos der
Zukunft" besser erläutern? Der Zoodirektor weiß darüber
hinaus durchaus sein Publikum glücklich zu machen: Nach
dem Besuch der Baustelle für die neue Elefantenanlage
haben ganz bestimmt alle, die dabei waren, abends beim
Wienern ihrer schlammverkrusteten Schuhe zufrieden an
das "Abenteuer Zoo Leipzig" gedacht und ihre Treter noch
ein bißchen schwungvoller poliert.
Danach lockte das vielfältige Programm,
geschickt so zusammengestellt, daß nichts versäumt
werden konnte - wenn auch teils im Galopp, wozu
allerdings mein nur mäßig ausgeprägter Orientierungssinn
viel beitrug; trotz all der schönen Parkpläne habe ich
mich oft verlaufen. Fast wie im Supermarkt: Wenn ich nur
ordentlich suchen muß, komme ich garantiert an
sämtlichen "Regalen" mit all den verführerischen
"Produkten" vorbei.
UNGLAUBLICH: Es ist alles wirklich so wie in
der Fernsehserie - und noch schöner. Was bei den
Aufnahmen, die mir jede Woche ins Wohnzimmer flimmern,
nahezu untergeht, ist die sagenhaft schöne Gestaltung
des Zoos auch für dessen Gäste: Meist kam ich mir wie
bei einem Waldspaziergang vor; es gibt viele Bereiche,
die schlicht zum Ausruhen, zum Innehalten einladen,
neben der für die Tiere oft unauffälligen Beobachtung
ihrer Gehege (sehr gut die zusätzlichen Informationen,
zahlreiche Texttafeln vermitteln viel Wissenswertes).
Genauso schön die vielen alten Gebäude, durch
stilgerechte Sanierung erhalten, notfalls auch komplett
neu errichtet, wie z.B. die alte Freiflugvolière aus den
20er Jahren, die - wegen der maroden Bausubstanz
einsturzgefährdet - vollständig abgerissen werden
mußte und originalgetreu wiederaufgebaut wurde.
"Das ist ja alles echt!" dachte ich mir
ebenfalls immer wieder, sobald ich mit den im Zoo
Beschäftigten zusammentraf. Von der freundlichen "ersten
Hilfe" am Eingang (wie erleichternd das Angebot zur
Gepäckaufbewahrung!) über ZoolotsInnen, Bauarbeiter, und
Auszubildende bis hin zum Direktor - alle tragen
gemeinsam das Konzept mit, auf sehr überzeugende Weise.
Offene Ohren, präzise Auskünfte und hilfreiche Tips
(z.B. für verzweifelte Fragen nach bestimmten Orten) gab
es überall; derart engagierte MitarbeiterInnen habe ich
in einem Unternehmen selten - wenn ich's recht bedenke:
nie - angetroffen. All das zudem in einer Situation, die
höchsten Streß für die Angestellten bedeutet: bei
Massenansturm. Statt hektischer Abfertigung eine
wunderbar angenehme Atmosphäre. Alle Beteiligten
verbreiten eine unfaßbar gelöste Stimmung, keine einzige
arme, genervte Seele. Ich mußte mir mit aller Kraft
vergegenwärtigen, daß es sich hier um eine GmbH der
Stadt Leipzig, ein Unternehmen der freien
Marktwirtschaft handelt.
LIEBEVOLL ist ein weiterer Begriff, der sich
mir geradezu aufdrängte. Natürlich zunächst "nur" auf
den Umgang mit den Tieren bezogen, kennen wir das alle
durch ETC. Doch bei der allgemeinen Gestaltung des
Tierparks gibt es keine Ausnahme: Ob Safari-Büro,
Losbuden, Eingangsbereich oder Toiletten: Die vielen
kleinen, sorgfältig durchdachten Details machen den
Gesamteindruck aus. Die imponierend großzügigen,
artgerechten Tiergehege seien an dieser Stelle besonders
hervorgehoben. Natürlich ist es kein Geheimnis, daß z.B.
Irbisse, Eisbär, Aras und Brillenbären leider immer noch
in den alten Gehegen/Volièren schmoren, aber es ist auch
nachvollziehbar, weil eben alles nur schrittweise
verbessert werden kann (was vor allem mit Fragen der
Finanzierung - und der Zeit - zu tun hat). Doch dort, wo
der "Zoo der Zukunft" bereits Gegenwart ist, war ich
froh für die Tiere, sie in Anlagen zu sehen, die ihnen
viel Bewegungsfreiheit ebenso wie Rückzugsmöglichkeiten
bieten - vor Artgenossen genauso wie vor den Blicken des
Publikums. Neben den gelungenen Vorzeigeprojekten
Pongoland und Afrika-Savanne (mit der gut
funktionierenden Vergesellschaftung von sechs
verschiedenen Tierarten) ist ein gutes Beispiel die
Tiger-Taiga. Vor einigen Monaten wurde in ETC berichtet,
die Außenanlage solle umgebaut werden, damit die
Zoogäste die Tiere auch zu sehen bekommen. Damals
schrieb ich besorgt an den Zoo, lieber keine Tiger zu
sehen, aber zu wissen, daß sie die Rückzugsfreiräume
haben, die sie brauchen. Prompt erhielt ich die Antwort
eines Kuratoren, dies sei bei der Planung des Umbaus
beachtet worden. Beim Besuch stellte ich fest, daß er
nicht zuviel versprochen hatte. Die Tiger müssen nicht
die Innenräume aufsuchen, um ungestört zu sein.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Bei den Tierarten,
die auf Außenanlagen zu sehen sind, sind deren
Innengehege i.d.R. für Zoogäste nicht zugänglich.
Absolute Höhepunkte waren natürlich die
Kommentierungen der verschiedenen TierpflegerInnen an
den einzelnen Anlagen. Dieter Georgi und seine Pinguine,
Franka Friedel und ihre Seebären, Martina Molch &
Horst, die mit bewundernswerter Ruhe Haltung bewahrten
im lautstarken Trubel des Musikprogramms (das einzig
Unangenehme an diesem Wochenende; und niemand dachte
daran, das schier unerträgliche Gedröhn abzuschalten, um
das Lama zu schonen, das allein wegen des Gedränges
genug belastet war. Doch Horst & Martina bewältigten
neben dieser Situation auch den Moderator (und seine
vier Metallstufen souverän), Jörg Gräser und seine
Erdmännchen, Michaela Specht und ihre Giraffen: Alle
sind richtig nett und beantworten zuvorkommend auch die
seltsamsten Fragen. Sie nehmen sich Zeit für neugierige
kleine und große Kinder, ermuntern sie zum Hinschauen
und Ausprobieren (wo möglich), regen Nachdenken an und
verweisen auf z.B. die sehr spannend gestaltete
"Artenschutz-Arche", auf Schutzprojekte, die aktuell
unterstützt werden, oder auf weitere Programmpunkte, die
zunächst nicht so spektakulär erscheinen, sich aber als
hochinteressant, informativ und teils auch lustig
erweisen (Besichtigung Veterinärstation,
Blasrohrschießen, Aktionen der Auszubildenden wie z.B.
Beschäftigungsfutter-Basteln für die Affen - ich habe
mich dann schon gefragt, wer hier wen beschäftigt). J
Der Zoo Leipzig kann sich glücklich schätzen, sie als
MitarbeiterInnen zu haben.
Fazit: Der Zoo Leipzig ist nicht nur an
Aktionstagen absolut empfehlens- und unterstützenswert.
Nicht nur der Frankfurter Zoo kann und sollte sich
gleich mehrere dicke Scheiben davon abschneiden.
www.zoo-leipzig.de
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