Zoo-AG



Anmerkungen


Dies ist eine Archivseite mit dem inhaltlichen Stand von 2005 und wird nicht aktualisiert. Sie zeigt den damaligen Stand der Zoos und bleibt als historisches Dokument online.

Zoo-Bericht



ZOOM Gelsenkirchen - Alaska
September 2005



Carsten Schöne, Vorstandsmitglied von IGAR e.V. / Raubtierpark, hat uns schon auf viele Exkursionen begleitet. Hier berichtet er von einem privaten Besuch im Erweiterungsgelände Alaska des ZOOM Gelsenkirchen, das im Sommer 2005 eröffnet wurde. Die Zoo-AG hat den Zoo zuletzt während einer Baustellenführung im März 2005 besucht.




Im September unternahm ich das Wagnis, die nagelneuen Alaska-Anlagen der ZOOM Erlebniswelt zu besuchen. Dachte man bislang, nach Hannover wäre der neue Zoo am Meer in Bremerhaven in Sachen Kunstfelsen nicht mehr zu übertreffen, so wird man nun in Gelsenkirchen eines Besseren belehrt. Bremerhaven beschränkt sich wenigstens auf die extreme Darstellung von Felskulisse. Die ZOOM Erlebniswelt springt voll auf den in Hannover gestarteten Freizeitpark-Kulissen-Zug und ist nur noch Kulisse. Nicht aber Naturkulisse, wie uns die Macher weismachen wollen. Anstelle von Natur erlebt man hier das, was man in den Medien, am Arbeitsplatz und in den Freizeittempeln unserer Konsumgesellschaft jeden Tag erlebt: Eine anthropozentrische Welt, im Mittelpunkt der Zoom Erlebniswelt steht der Mensch - nicht das Tier. 

 Starten wir ganz vorne: Wir betreten Alaska durch ein "Tlingit-Portal", ein  menschliches Bauwerk also - kulturhistorisch durchaus interessant. Dann sehen wir ... eine Hütte, die soll so aussehen, wie die des Trappers "Lederstrumpf".  (Wir erinnern uns: "Lederstrumpfs" Beziehung zu Tieren hatte immer einen metallenen Lauf und ein paar Schrotkugeln zwischen sich und dem Objekt der Begierde!) Immerhin, aus "Lederstrumpfs" Hütte heraus sehen wir tatsächlich die ersten Tiere: Luchse. An der Wand hängt ein Gewehr. Sollen wir jetzt draufhalten auf den Luchs? Informationstafeln gibt es nicht. Ein kleines Schild erklärt uns aber zumindest, dass das ein Luchs ist, den wir hier vor der Holzhütte eines Pelztierjägers betrachten können. Weitergehende Informationen, z.B. zur Problematik des Pelzhandels, sucht man vergeblich. Hier steht Abenteuer im Vordergrund; so ehrlich sind die Verantwortlichen allerdings auch, dies in ihren Veröffentlichungen immer wieder zu betonen - die Welt-Zoo-Aquarien-Naturschutzstrategie fordert anderes!

 Als nächstes bekommen wir einen Vorgeschmack auf das, was kommen wird. Schneeeulen eingerahmt von Kunstfelsen, die ein bisschen an die Wassertonnen, Bachlauf-Fertigteile und Wege-Lampen im "Felsenlook" erinnern, die man in Baumärkten zu kaufen bekommt. Bei Wäschbärs geht es damit weiter. Überdimensionierte Felssäulen rahmen Sichtfenster ein, durch die man ... die Besucher sieht, die vor der Waschbäranlage stehen. Der Leitsatz, dass bei einer naturnahen Gehegeanlage der Besucher möglicht keine so genannten "crossing views" haben soll, also Tiere und Naturkulisse und  keine anderen Besucher vor sich sehen soll, wird hier nicht eingehalten. Auf der nächsten Anlage, der Elchanlage, gibt es extra dafür einen Erdhügel. Der soll den Blick auf die gegenüberliegende Aussichtsplattform verhindern,  tut er aber nicht.Auch in allen folgenden Anlagen kann man immerzu von einem Fenster zum anderen herüberwinken und sich dämlich benehmende Zoobesucher ansehen anstelle von Tieren.

 Weil Felsen zur Zeit in der Zooarchitektur schick sind, leben Gelsenkirchener Biber in Felsenhöhlen - nicht in Biberburgen aus Baumstämmen oder in Erdhöhlen, nein, in Felsenhöhlen. Und weil es so naturnah ist, haben die Kinder direkt daneben auch eine Felsenhöhle mit einer Metallrutsche, die vor der Biberhöhle endet. Was lernen wir daraus? Ich weiß es nicht!

 

Nächster Halt - ich zitiere aus dem aktuellen Lageplan:  "Alaska School Bus - Alles aussteigen bitte, letzte Haltestelle vor der Wildnis. Hier ist die Zivilisation zu Ende und das Reich der Tiere beginnt!" Hier steht ein verunglückter  Bus - ein Schulbus wie gesagt -, von eventuell verletzten oder traumatisierten Kindern erfahren wir nichts. Aus dem Bus heraus können wir  Stinktiere betrachten.

 

Immerhin – uns wurde angekündigt, daß jetzt die Wildnis beginnt!!! Seien wir erwartungsfroh. Unsere Schritte führen uns durch Wald - der macht neugierig, hier sieht alles sehr natürlich aus - der alte Ruhrzoo hatte ja einen schönen alten Baumbestand ... doch dann verlassen wir den Wald und sehen: "Joe’s Claim" und "Alaska Diner",  ein Goldschürfer-Camp also und Holzhäuser, Restaurants, Biergärten, Terrassen, und weit und breit keinen Baum mehr. Hieß es nicht eben noch, das Reich der Tiere beginne jetzt? Nun, zum Fastfood essen ist es hier wirklich schön, und ich gönne auch den Kindern ihren Spaß an dem Goldwäscher-Spielplatz, aber wir sind ja zum Tiere gucken hier, also schnell weiter, die nächsten Tiere kommen bestimmt. Wir sind doch in einem Zoo - oder stehen die Buchstaben "Z - O - O" in "ZOOM" möglicherweise gar nicht für "Zoologischer Garten"?

 Doch, da sind sie schon, die nächsten Tiere. Inmitten des Kahlschlags stehen  "hochbedrohte" Rentiere  - Hausrentiere - ein Muss für jeden modernen Zoo, der sich der Welt-Zoo-Aquarien-Naturschutzstrategie verpflichtet fühlt. Erinnern wir uns, bis jetzt haben wir Elche,  Stinktiere, Kanadische Biber und Waschbären gesehen. Alle im Freiland nicht akut bedroht  Wenn man einen neuen Zoo baut, und nichts geringeres ist das erklärte Ziel der ZOOM Erlebniswelt,  hat man das Thema Artenschutz in den Mittelpunkt zu stellen und den Tierbestand entsprechend auszuwählen. Hier in Gelsenkirchen ist für 21 Mio. € ein neuer Zooteil entstanden, dessen Tiere ausschließlich nach der Attraktivität für Besucher ausgewählt wurden - nicht nach Artenschutzmaßstäben. Damit sind 6 ha  Fläche verschwendet worden!  Dass die Rentiere im Hochsommer auf ihrer Anlage ohne jeden Schatten auskommen müssen, ist dabei nur ein Schönheitsfehler. 

 Jetzt verspricht uns der Lageplan Bären. Ich zitiere: "Peek in  - Schau einfach mal rein, dachte sich der Bär, als er vor der Hütte stand." Also, wieder einmal eine Hütte - so weit, so naturnah. Eingefasst ist die Bärenanlage in Kunstfelsen, die ihresgleichen suchen - wir sind wieder im Baumarkt! Denken wir an Regentonnen aus PVC, die so tun, als wären sie Felsen und integrieren wir noch ein paar ebenfalls als Felsen getarnte Blumenkästen in diese Wassertonne, dann haben wir den "Zoom-Effekt": Kunstfels-Kitsch ohne Ende.

 Die nächste Attraktion, "Sam’s Mine", lässt auch ganz viele Tiere erleben, die laufen auf zwei Beinen, haben einen Spaten in der Hand und suchen nach Edelmetallen. Eine ganz ähnliche Szenerie gibt es seit Jahrzehnten in einer Wildwasserbahn im "Heidepark Soltau".

 Doch jetzt, jetzt endlich kommt es, das Naturerlebnis: Die "Kodiak Falls". Ein Wasserfall, der, so war es in einem Fernsehbeitrag zu hören, täglich so viel Strom verbraucht wie 200 Waschmaschinen oder waren es 2000 Waschmaschinen - spielt keine Rolle, der Betreiber der "Zoom Erlebniswelt" ist die GEW, die Gesellschaft für Energie und Wirtschaft mbH, da hat man genug Energie, um sie mal eben durch den Wasserfall jagen zu können!

 Die angekündigte "Bear View Bridge" - eine Hängebrücke - hätte alles herausreißen können, Hängebrücken sind minimalistisch, lassen den Benutzer die Naturelemente spüren und sind, obwohl es sich auch um menschliche Bauwerke handelt, durchaus für ein Naturerlebnis geeignet. Nur sieht man von der "Bear View Brigde" aus leider nur 200 Waschmaschinen und keinen Bären!

 Ein Stück weiter soll "Mobys Rest" liegen, ein künstliches Walskelett. Interessanterweise ist "Mobys Rest" nach einigen Wochen Zoobetrieb durch die Besuchernutzung schon derartig verrottet, dass man es aus der Schau nehmen musste, um "Mobys Rest" nicht final werden zu lassen.

 Die Seelöwenanlage ist eckig, rechteckig. Es gibt Podeste, die sind eckig, rechteckig,  manche auch quadratisch, schon in den vorherigen Anlagen wirkten die Kunstfelsen irgendwie eckig, hier ist jetzt alles  eckig - Alaska muß wohl eckig sein! Der Acryltunnel im Robbenbecken ist aber wirklich schön - ganz ehrlich, ohne jede Ironie. Die Perspektive ist klasse, macht Spaß und lässt den Besucher die Eleganz der Tiere authentisch erleben. Diese Anmut, diese Kraft  ...  herrlich!

 Eisbären leben wieder in trostloser Einöde, immerhin aber mit Naturboden. Jetzt erwartet man Antonia, den einzigen kleinwüchsigen Eisbären der Welt und eines der alteingesessenen Tiere des alten Ruhrzoos, und freut sich darauf, sie in einem tollen neuen Zuhause zu sehen ... aber in den Anlagen leben extra angeschaffte "normale"  Eisbären. Antonia sitzt ganz am Ende in einem nahezu einrichtungslosen Absperrgehege. Klar, Antonia ist klein - also reicht auch das kleinste Gehege für den Bonsaibären!

 "Alaska Ice Adventure", ein Eisschollen-Fahrt-Simulator, versetzt uns endgültig in einen Freizeitpark. Aber hier gibt es etwas, was bislang so schmerzlich gefehlt hat,  zum ersten Mal stehen hier Informationstafeln - richtig viele ... sie berichten ... über Menschen, Inuit  nämlich!

 Nach all dem Kahlschlag und Felsenwahnsinn betritt man dann endlich wieder den Wald und bekommt vom Lageplan Wölfe versprochen, die nächste Station heißt "Ranger Station" und - jetzt wissen wir schon, was uns erwartet: Eine Hütte - richtig, der Besucher kann aus einer Hütte heraus die Wölfe beobachten. Zwecks Ranger-Authentizität knarzt in regelmäßigen Abständen ein Funkgerät vor sich hin. Schnell weg, das Funkgerät nervt, aber so ist das halt im Leben eins Rangers, wie uns der Lageplan aufklärt: " ...der Alltag eines Waldhüters ist hart und gefährlich!"

 Ein Gehege haben wir noch vor uns, das Ottergehege für Amerikanische Flussotter, dieses heißt schlicht "Otters Nest". Hier ist den Planern scheinbar kein passender Menschheitsbezug eingefallen, es gibt keinen Abenteurer-Schnick-Schnack, dafür widerspricht es aber den Erkenntnissen, die man mittlerweile über eine artgerechte Otterhaltung hat: Der Landteil ist im Verhältnis zur Wasserfläche zu klein und inselartig, anstatt sich über einen Großteil der zur Verfügung stehenden Fläche entlang zuziehen. Die Wasserfläche der Otter grenzt unmittelbar an den Wassergraben der Elche, so dass man sich fragt, warum man die Otter nicht einfach mit in das Elchgehege hat einziehen lassen, das wäre doch mal ein innovativer Vergesellschaftungsversuch gewesen!?

 Innovation bezieht sich aber in Gelsenkirchen nur auf die Bedürfnisse der Besucher, obwohl ich bislang eines verschwiegen habe: Alle Gehege, bis auf das etwas klein geratene Luchsgehege, sind von der Größe her völlig akzeptabel und ich freue mich, dass die wirklich grauselige Tierhaltung, die den Ruhrzoo prägte, der einst nur eine Art Durchgangslager für eine Tierhandelsfirma war, in diesem Parkteil der Vergangenheit angehört.

 Die Zukunft der Zoos aber darf in Bezug auf  Artenauswahl, Tierpräsentation und naturwissenschaftlicher und naturschützerischer Bildung  keinesfalls so aussehen wie die "Zoom Erlebniswelt"!

Carsten Schöne, 2005  




Erstellt am 17. 10. 2005




Lesen Sie dazu auch den Gastkommentar
Die Eröffnung einer Erlebniswelt - Schein oder nicht Schein
von H. Jörg Adler (Allwetterzoo Münster) und die Berichte zur Eröffnung von “Alaska”
in der Zoopresseschau vom 7. Juli 2005




Allen Gästen der Eröffnungsfeier wurde als Rollenpost eine Art Urkunde zugestellt. Neben einer antik aufgemachten Karte (“Map of Alaska”), gibt es folgenden Text zu lesen:

Aufbruch zum großen Bären - Expedition Alaska

Voller Anerkennung bestätigen wir
Xxxx Xxxxx
die Teilnahme im Expeditionsteam mit der Verleihung des höchst ehrenvollen Titels
Kodiak Jim
Im Sommer anno 2005 hat das Expeditionsteam ein wahrhaft großes Abenteuer bestanden. Auf den Spuren von Goldgräbern und Trappern hat es das Faszinierende Alaska erforscht. Dabei sah es Eisbären, Elche, Robben und viele andere Tiere, wie sie kein anderer bisher gesehen hat. Es ist in eine Landschaft eingetaucht, die wie keine zweite mit rauer Schönheit besticht.
Auf dass allen Teilnehmern dieses einzigartige Erlebnis ewig in Erinnerung bleibt!
Gelsenkirchen – Alaska, den 30. Juni 2005
Die Expeditionsleitung:
Dr. Rainer von Courbière       Dr. Jörg Plischka



Anmerkung: Die Darstellungen und Meinungen im Bericht auf dieser Seite geben nicht zwingend die aller Zoo-AG-Mitglieder wieder.




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